Raumkante
Kunst im öffentlichen Raum, Bremen
2010
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Raumkante
Temporäre Nutzung im öffentlichen Raum, 2010
In ihrem temporären Projekt RAUMKANTE werden sich die Künstlerinnen Kornelia Hoffmann, Patricia Lambertus und Marion Lehmann mit neuen ortsspezifischen Arbeiten der besonderen Situation der Neuenlanderstraße 149 nähern. Alle drei setzen sich in ihren Arbeiten mit Räumen, Orten und Architektur auseinander, suchen nach Motiven in ihrer gelebten Umwelt und deren Wirkungsweisen. Der Begriff RAUMKANTE wird von den Künstlerinnen dabei im Sinne eines transitorischen Raumes aufgegriffen, ein Ort der sich auf der Kante von einer ehemals festgelegten Nutzung nun zu einer noch nicht bestimmten Verwendung befindet. Ein Ort an dem sich die Grenzen von privat und öffentlich, außen und innen verwischen.
Dem Haus mit der Nummer 149 in der Neuenlanderstrasse ist der architektonische Stil seiner Zeit noch an der Hausfassade abzulesen: Fliesen versehen die Frontseite, die mit einigen Ornamenten abgesetzt wurde, der Hauseingang ist nach links versetzt, über der Tür ein kleiner Tympanon. Ein typisch Alt Bremer Haus aus Anfang des 20. Jahrhunderts mit großzügigem Souterrain, wäre nicht irgendwann in den 1960er das Dach angehoben und eine 2 Etage eingebaut worden. Die damalige Wohnraumerweiterung ist inzwischen hinfällig. Das Haus steht nicht kurzfristig leer, „Eine Wohnnutzung ist durch die Lärmbelästigung nicht mehr möglich“ laut Immobilien Bremen AöR, der das Gebäude gehört. Somit beschreibt die zwischen Flugplatz, Autobahnzubringer und Industriegebiet eingekeilte Restarchitektur eine städteplanerische Leerstelle.
In einem ersten Schritt nahmen Hoffmann, Lambertus und Lehmann Anfang September eine gut sichtbare Intervention vor: eine an der Außenfassade zur Straße hin ausgelegte quadratische 2,30m x 2,30m große Plakatwand gewährt den Passanten einen Blick in den zweiten Stock des Wohnhauses. Dabei zeigt die schwarzweiße Fotografie genau den Innenraum mit Fenster, der von der Plakatwand von Außen verdeckt wird. In großen Majuskeln war der Schriftzug „Kunst im öffentlichen Raum“ auf der Aufnahme zu lesen. Ein Hinweis darauf, was an diesem Ort passiert und gleichzeitig eine Unterstreichung der lokalen Situation, finden doch rege öffentliche Diskussionen für und gegen einen Ausbau der Straße zu einer Autobahn mit Auswirkungen auf die vorhandene Architektur statt. So würde eine Zustimmung zu einer neuen Streckenführung inklusive Lärmschutzwand führen und die Gebäude samt Bewohnern in eine Insellage versetzen. Mehrmals wird die Plakatwand im Laufe der temporären Nutzung von den Künstlerinnen verändert. In einer zweiten Intervention war dasselbe Plakat ohne Schriftzug zu sehen und somit die Konzentration verstärkt auf das Haus, auf die Beziehung zwischen Innen und Außen gelegt. Bei der Ende Oktober durchgeführten dritten Intervention handelt sich um eine Tapetencollage von Patricia Lambertus. Eine Collage, die Assoziationen an die fernen Reiseziele der übers Haus dröhnenden Flugzeuge aufkommen lässt.
In einer gemeinsamen Ausstellung mit dem an der Schnittstelle zwischen Dokumentation und Fiktion arbeitenden Videokünstler Ralf Küster werden Hoffmann, Lambertus und Lehmann neue Arbeiten in den Räumlichkeiten der Neuenlander Straße 149 präsentieren. Dabei geht es immer um die Besonderheit des Ortes, seiner Vergangenheit und seiner unbestimmten Zukunft. Patricia Lambertus wird eine über zwei Etagen gehende großflächige Wandarbeit installieren, die sich für den Besucher durch Bewegung erfahren lässt und die u.a. mit Tapetenresten aus dem Haus arbeitet. Einen Dialog zwischen Innen und Außen, zwischen Privat und Öffentlich wird die Bildhauerin Marion Lehmann mit ihren großformatigen Skulpturen im ersten Stock des Hauses anregen, deren formaler Bezug sich aus der gebauten Umgebung speist. Kornelia Hoffmann wird eine Arbeit an der Plakatwand der Hausfassade installieren: die großformatige Collage speist sich aus Fotografien die ausschließlich die Raumecken in der Neuenlanderstraße 149 zum Thema haben und lässt auf diese Weise einen ganz neuen Raum entstehen. In einer weiteren Arbeit setzt Hoffmann sich mit den zivilisatorischen Resten, wie geschreddetem Sperrmüll, auseinander. Ralf Küsters Videoarbeit speist sich formal aus der Filmästhetik von klassischen Westernstreifen. Stehende Bilder, Aufnahmen von weiten Ebenen, der Schnitt von einer Nahaufnahme zum Weitwinkel und zurück, all das lässt sich im Film Eine Frame Stadtzeit wieder finden. Die Aufnahmen eines stillgelegten Flughafen wirken in Küsters Arbeit surreal, rufen, nicht zuletzt aufgrund der Tonspur, eine Endzeitstimmung hervor, die gleichzeitig einen Zugang zu noch nicht gedachten Szenarien für die Zukunft des Ortes ermöglichten.
RAUMKANTE war ein Kooperationsprojekt mit dem AAA Autonomen Architektur Atelier Bremen. Während der Laufzeit der Ausstellung moderierten die Gründer des AAA Oliver Hasemann und Daniel Schnier die Veranstaltungsreihe sprawling [of a city], in der Referenten auf die besondere Interessen- und Konfliktlage des Ortes sowie dessen Umfeld eingehen.